Im Regional-Fußball aufgrund seiner langjährigen, erfolgreichen Schiedsrichter-Karriere bestens bekannt ist unser Schiedsrichter Sven Köhler. Seit nun schon über drei Jahren ist auch sein Sohn Tim ausgebildeter und überaus aktiver Schiedsrichter. Dass er dabei das Talent und den sportlichen Ehrgeiz vererbt bekommen hat, zeigen seine ersten Erfolge in der noch jungen Schiedsrichterkarriere. Welche besonderen Erlebnisse es in 33 Jahren Schiedsrichterei für Sven gab, wie sich die Perspektive des Fußballers Tim geändert hat und welche Karriereziele Tim im Sport noch hat, erfahrt ihr im Interview mit den beiden.
Hallo Sven, hallo Tim. Schön, dass ihr euch beide die Zeit zum Doppelinterview nehmt. Sven, fangen wir bei dir und deiner tollen Karriere an. Seit wann bist du Schiedsrichter und was waren dabei deine größten Erfolge und besondere Erlebnisse?
Sven: Schiedsrichter bin ich seit 1989. Aktiv gepfiffen habe ich bis 2018. Ich wollte damals unbedingt noch die 30 Jahre vollmachen. In Summe kamen dann 1.050 Spiele zusammen. Nach einer Pause bin ich 2021 wieder eingestiegen als Schiedsrichterbeobachter. In dieser Funktion sind meine Aufgaben das Begleiten und Coachen von jungen Nachwuchsschiedsrichtern sowie das Beobachten und Bewerten von etablierten Schiedsrichtern auf Landesebene. Als aktiver Schiedsrichter bin ich von der Kreisliga ausgehend mehrmals aufgestiegen. Die höchste Spielklasse erreichte ich mit der Thüringenliga im Jahr 2000. Mein erstes Spiel in dieser Klasse und damit eine besondere Erfahrung war Kahla gegen Weimar. Durch die Thüringenliga-Qualifikation war ich auch regelmäßig bei Oberliga-Spielen als Linienrichter dabei. Da gab es dann oft Wochenenden mit doppelter Spielbelastung – am Samstag Thüringenliga pfeifen und am Sonntag in der Oberliga an der Linie. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir als Schiedsrichterassistent die beiden Endspiele im Thüringer Landespokal Jena gegen Erfurt 2003 und 2005. Negatives Highlight war das Oberliga-Spiel Auerbach gegen Cottbus im Jahr 2007. Gewaltbereiter Cottbuser Anhang provozierte eine Spielunterbrechung und den ungeplanten Einsatz der Bereitschaftspolizei.
Sven, wenn du von Auf- und Abstieg bei Schiedsrichtern sprichst. Wie kann man sich das vorstellen?
Sven: Im Prinzip ist das schon sehr ähnlich zu den eigentlichen Fußballmannschaften. Jeder Schiedsrichter bekommt in der Saison eine bestimmte Anzahl an Spielbewertungen durch Schiedsrichter-Beobachter wie mich. In diese Bewertung fließen unter anderem die erteilten persönlichen Strafen, also gelbe und rote Karten, das Laufverhalten, das Stellungsspiel und das Auftreten als spielleitende Persönlichkeit aus dem jeweiligen Spiel mit ein. Aus der Bewertung resultieren Punkte, die dann einen Tabellenstand der Liga-Schiedsrichter abbilden. Und diese Tabelle weist dann Auf- und Absteiger auf – genauso wie bei den Mannschaften selbst. Unsere gepfiffenen Spiele empfinden wir Schiedsrichter wie die Spieler selbst auch als gut oder nicht so gut. Wenn man als Schiedsrichter lange in einer Liga aktiv ist, kennt man natürlich viele Spieler und andersherum ist es genauso. Da macht es dann schon Spaß, wenn man zum Spiel anreist, beide Seiten sich einschätzen und die „Tagesform“ am Anfang des Spiels abklopfen können. Am schönsten ist es für mich immer gewesen, wenn einem die unterlegene Mannschaft ein gutes Spiel attestiert hat. Dem Gewinner war die Schiedsrichterleistung ja aufgrund des Ergebnisses am Ende schließlich egal. Was mir in den letzten Jahren aufgefallen ist, dass die Wertschätzung des Schiedsrichters durch die gastgebenden Vereine nachgelassen hat. Vor einigen Jahren gab es nach dem Spiel für den Schiedsrichter mal ein Bier und eine Bratwurst und man hat sich unterhalten. Das sieht man kaum noch.
Zum Wettkampf im Fußball braucht es neben den Mannschaften auch die Schiedsrichter. Ohne geht es nicht. So sind auch wir als Verein immer daran interessiert, neue Schiedsrichter für diese sportliche und persönliche Herausforderung zu begeistern. Tim, du bist jetzt 15 Jahre alt. Wann du wie kam bei dir der Gedanke auf, Schiedsrichter zu werden und was macht für dich den Reiz am Schiedsrichter sein aus?
Tim: 2019 war ich in der letzten Saison vom Papa bei zwei Spielen mit zum Zuschauen dabei. Das hat mir gefallen und mich gereizt. Ich war damals mit 12 Jahren alt genug und konnte mich schon gleich zum nächsten Ausbildungslehrgang anmelden. Seitdem bin ich einfach gerne Schiedsrichter. Ich merke, dass ich als Schiedsrichter im Vergleich zu meinen eigenen Voraussetzungen und Talenten als aktiver Fußballer höherklassig im Fußball unterwegs sein könnte. Man lernt Entscheidungen zu treffen, im Team zu agieren und Dinge zu organisieren. Und sei es nur die Abstimmung mit den anderen Schiedsrichtern zur Fahrt zum Spielort. Reizvoll ist für mich auch, dass man sich mit seinem Hobby Geld dazuverdienen kann.
Jetzt pfeifst du ja schon seit über drei Jahren und hast gleichzeitig auch noch aktiv Fußball in unseren Nachwuchsmannschaften gespielt. Wie hat sich dabei dein Blick als Spieler auf den Schiedsrichter und das Fußballspiel an sich verändert?
Tim: Ich habe gemerkt, wie wenig man als Spieler von den Aufgaben und den Herausforderungen der Schiedsrichter mitbekommt. Als Spieler konzentrierst du dich ja auf dich selbst und der Schiedsrichter taucht dabei nur ab und zu in deiner Wahrnehmung auf. Oft dann nur bei angezweifelten Entscheidungen. Für den Schiedsrichter ist das Fußballspiel viel komplexer. Er muss 22 Spieler und dazu noch das Umfeld im Auge behalten. Du musst dich auf viel mehr Situationen vorbereiten und immer wieder auf spontane Dinge schnell und richtig reagieren. Der einzelne Spieler wird selber gefoult oder sieht nur irgendwo ein Foul. Als Schiedsrichter muss man das Foul bewerten und anhand verschiedener Regeln die richtige Entscheidung fällen.
Sven, sicherlich bist du sehr stolz auf Tim. Wenn du deine Anfänge als Schiedsrichter mit denen von Tim vergleichst, zu welcher Einschätzung kommst du da?
Sven: Stolz bin ich natürlich auf ihn. Er war aktuell zum U20-Sichtungslehrgang für den Landesspielbetrieb in Thüringen. Dorthin werden, wie bei beim aktiven Fußballer auch, ausgewählte Kandidaten mit Entwicklungspotential eingeladen werden. Da war er mit 15 Jahren der Jüngste. Ich selber bin damals eher zufällig zum Schiedsrichter geworden. Ich kam 1989 von der Sportschule Jena, an der ich als Diskus-, Kugel- und Speerwerfer gewesen war, zurück nach Göritz. Durch diesen Hintergrund wollte man damals von offizieller Seite, dass ich im Sportwesen eine Funktion übernehme, zum Beispiel als Leichtathletik-Trainer. Dazu hatte ich jedoch keine Ambitionen und so kam als zufällige Alternative der Weg als Schiedsrichter auf. Im Vergleich dazu ist die Entscheidung von Tim für den Schiedsrichter natürlich bewusster und mit dem Vorbild des Papas verbunden. Von der Ausbildung oder Anforderung her sehe ich keine Unterschiede nach 30 Jahren. Es war damals schon anspruchsvoll und ich selbst bin am Anfang noch mit dem Moped zu den von mir zu leitenden Herrenspielen nach Hirschberg, Blankenstein oder Tanna gefahren. In den letzten drei Jahrzehnten hat aus meiner Sicht die Aggressivität um den Sportplatz herum zugenommen. Am meisten bei den Nachwuchsspielen, bei denen sich immer wieder Eltern zu nah am Spielfeld aufhalten und dabei einige durch unverfrorenes, aggressives Verhalten negativ auf das Spiel wirken. Nicht wenige Schiedsrichter-Anfänger lassen es nach solchen Eindrücken nachvollziehbarerweise gleich wieder sein.
Welche weiteren Ziele habt ihr beide für eure weitere Schiedsrichter-Laufbahn?
Sven: Ich hätte nichts dagegen, wenn ich als Schiedsrichter-Beobachter den Aufstieg aus der Thüringen-Liga in die Oberliga schaffen könnte. Jetzt fange ich damit aber erstmal in der Thüringenliga an und dann sehen wir weiter.
Tim: Ich pfeife ja aktuell schon Herrenspiele in der Kreisliga, das geht ab 15 Jahren. In der Kreisoberliga stehe ich an der Linie. Zum Ende der jetzigen Saison strebe ich den Aufstieg in die Kreisoberliga an. Also das Erreichen der dafür erforderlichen Punkte und Bestehen des Lauf- und Regeltestes. Damit könnte ich dann auch Assistent in der Landesklasse sein. Später möchte ich gerne in die Landesebene aufsteigen. Um das zu erreichen muss ich viel Üben, also viele Spiele pfeifen oder assistieren. Jetzt in den Sommerferien hatte ich an manchen Wochenenden bis zu drei Spiele. Das war dann schon ganz schön anstrengend.
Sven, mit deiner Erfahrung von 1.050 gepfiffenen Spielen: Jeder kennt die Problematik, dass mit den Schiedsrichtern leider manchmal nicht fair umgegangen wird seitens der Aktiven oder auch der Zuschauer. Wie geht man damit aus Schiedsrichter am besten um und was sollten sich die unsachlichen Kritiker mal bewusstmachen?
Sven: Die sollten mal selber ein Spiel pfeifen. Da reicht schon ein Nachwuchsspiel. Als Schiedsrichter musst du lernen, dass das dazugehört und nicht aufhört. Es ist ja auch nicht gegen dich als Person Sven Köhler gerichtet. Durch den räumlichen Abstand zu den Zuschauern gelingt einem das eigentlich auch ganz gut. Wichtig ist, dass es nicht handgreiflich wird. Dass, was man da aus den städtischen Ligen an körperlicher Aggression gegen den Schiedsrichter durch Spieler immer häufiger zu sehen bekommt, kann einen schon nachdenklich stimmen. Das ist ein anderes Level, dass man als im Einzelfall Betroffener natürlich nicht so einfach wegstecken kann.
Zum Schluss haben wir noch ein paar Schnellfragen für euch. Ihr habt jeweils eine Karte mit „Sven“ und „Tim“ vor euch liegen. Beantwortet bitte die Fragen mit „Sven“ oder „Tim“, ohne dass ihr gegenseitig eure Antworten vorab sehen könnt.
Wer hält Zuhause besser die Spielregeln ein?
Sven: Tim Tim: Tim
Wer bekommt öfters die gelbe Karte von eurer Frau bzw. Mama Ines gezeigt?
Sven: Tim Tim: Tim
Wer ist diskutierfreudiger?
Sven: Tim Tim: Sven
Wer ist der schnellere Läufer?
Sven: Tim (die Zeit ist vorbei mit 50 J) Tim: Tim
Wer zeigt schneller mal eine gelbe Karte im Spiel?
Sven: Sven Tim: Tim
Wir bedanken uns bei Sven und Tim recht herzlich für Ihre Zeit und die interessanten Einblicke.
Wenn wir bei dir, lieber Leser, liebe Leserin, ein erstes Interesse am Schiedsrichtern geweckt haben sollten, sprich uns auf jeden Fall an. Wir würden dich sehr gerne auf dem weiteren Weg unterstützen. Schrieb uns einfach eine erste Email unter oder ruf uns an unter 0173 / 7700 747. Wir würden uns freuen 🙂